Das Eidersperrwerk - viele Wirkungen am Rande

Als Jahrhundertprojekt wurde vom 29.3.1963 bis 20.3.1973 das Eidersperrwerk errichtet. Der Staat wollte Geld für die Instandhaltung von rund 60 km Eiderdeichen einsparen aber auch die Sturmflutsicherheit verbessern. Die Sturmflut 1962 ließ über 120 Deiche brechen, viele Deiche wurden beschädigt und hielten nur knapp. Die Antwort war der erste "Generalplan Küstenschutz" in dessen Rahmen die Deiche erhöht, ungünstige Lagen entschärft und die Deichlinie verkürzt wurde. Das Eidersperrwerk wurde als Baustein dieses Walles verwirklicht.

Die Folgen des Baues sind divergent: Bis zur Fertigstellung des Eidersperrwerks war Tönning eine bunte Küstenstadt mit zahlreichen Kuttern und munterem Hafenbetrieb. Die Liegeplätze der Fischkutter verlagerten sich in den Binnenhafen des Sperrwerkes. Nachteile für die Landwirtschaft und den Tourismus wurden erwartet und in ähnlicher Form real. Der Ersparnis an den Deichen stehen bis heute Unsummen an Reperaturen und Stabilisierungsarbeiten gegenüber. Allerdings, bei Sturmfluten lief das Wasser manchesmal in die Straßen. Mit dem Sperrwerk war das vorbei, ein Ziel des Baues, der bessere Schutz vor Sturmfluten wurde erreicht.

Als Nebeneffekt entstand eine neue Verkehrsverbindung zwischen Dithmarschen und Eiderstedt mit einem 236 Meter langen Tunnel zwischen den Binnen- und Aussentoren. Dann geht es über die 28 Meter lange Schleuse durch die die Schiffe den ungleichen Wasserstand von Fluß und Meer durch das Sperrwerk passieren, auf einer Klappbrücke. Die Schiffe auf der Bundeswasserstraße haben Vorfahrt, so kosten diese 12 Meter manchmal eine viertel Stunde. Gebaut wurde ein geschützter Binnenhafen, in dem oft Kutter liegen und Schiffe Schutz finden. Ein Außenhafen konnte angelegt werden, von dem im Sommer Ausflugsschiffe fahren.

Die Fischerei

Die Aufrechterhaltung der Schifferei sollte das Sperrwerk erlauben und die Eider ist bis heute Bundeswasserstraße. Allerdings: das nun sturmfluttrockene Tönning verlor hierdurch als Fischereistandort.  Mit der Zähmung der Eider verlagerte sich der für die Fischerei relevante Raum seewärts des Sperrwerkes und verlor Gebiete im Eiderästuar. Viele Kutter wanderten zum Sperrwerkshafen ab, um die Anfahrszeit in die fischereilich interessanten Gewässer zu reduzieren. Tönning ist heute nicht mehr der zentrale Kutterhafen an der Westküste. Das bunte Treiben am Hafen ist heute von Sommergästen und Restaurants bestimmt. 

Das es heute nur noch so wenig Kutter gibt, hat aber andere Hauptursachen: Vor allem ist es die Folgen einer Resourcenzerstörung in den 70er Jahren durch den "Beifang", d.h. junge Fische, kleine Krabben und anderes unverkäufliches wurde rücksichtslos gefischt und zu Fischmehl etc. verarbeitet. Und vielleicht noch mehr wirkte sich der EU-Strukturwandel aus. 

Ein Durchschnittskutter fängt heute viel mehr als in den 70er Jahren, der Gesamtertrag der geschrumpften Kutterflotte liegt insgesamt höher als vor 30 Jahren. Die Kosten für Schiff und Mannschaft wuchsen noch stärker als der Fang: Um die hohen Erträge zu erwirtschaften mußte die technische Ausstattung der Schiffe ausgebaut werden, immer mehr Kapital wurde nötig um noch etwas mehr zu fangen. Und die Preise für den Ertrag fielen. Die unabdingbare Folge ist ein Verdrängungswettbewerb auf EU-Ebene, viele Fischer gaben auf. 
Der in diesem Zusammenhang oft genannte "schuldige" Nationalpark Wattenmeer kam viel später und betrifft die Erwerbs-Fischerei nur in einem kleinen, fast nicht genutztem Gebiet, südlich des Hindenburgdammes.

 

Landwirtschaft

Die Landwirte fürchteten eine schlechtere Entwässerung von Südwesteiderstedt mit Folgen für die Erträge. Anlieger erhielten die Zusage neue Flächen zur Nutzung im Katinger Watt zu bekommen. Es wurde ein festgelegter abgesenkter maximalen Grundwasserstand zugesagt. 

So recht froh wurden die Landwirte mit dem Erfolg nicht, denn Profit von Flächen haben nur wenige Betriebe und die Entwässerung der Marsch wurde mit der unterschätzten starken Verschlickung und Vorlandbildung der Eider schwieriger.

Die Grundwasserabsenkung wird durch die Steuerung der Vorflut mittels dem Sperrwerk erreicht. Das Prinzip dabei ist folgendes: Die Flut drückt das Wasser in die Gräben zurück, nur bei Ebbe gibt es einen einfachen Abfluß aus der flachen Marsch. Wird mit dem Sperrwerk die Flut ausgesperrt, kann das Wasser länger abfließen.
Es zeigte sich aber, daß die Verschlickung der Eider so stark ist, daß der Gesamtabfluß litt. Das Sperrwerk wird daher auch im Spülbetrieb gefahren: Das Eiderwasser wird angestaut und bei Ebbe mit größerem Gefälle und mehr Kraft "plötzlich" in die See abgelassen. Schlick und Sand wird hierbei mitgerissen. Auf den hohen Wattrücken und nahe der Ufern wirkt dieser Spüleffekt aber nur gering, so daß die Abflüsse von Land häufig zuschlicken.

 

Tourismus

Der Stadt Tönning wurde ein touristisches Wirtschaftswunder mit Hilfe der Flächen des Katinger Wattes versprochen, viele Hektar "Wald" wurden gepflanzt. Künstliche Priele für niemals eingetroffene Gast-Kanufahrer gebaggert, selten werden sie vom heimischen Verein genutzt. Viele andere Dinge mehr wurden für die Nutzung des Katinger Wattes ausgedacht, selbst über die Aufschüttung eines kleine Berges zum Skifahren wurde kurz diskutieren.

Naturschutz

Ein Sperrwerk hat unabdingbar ökologische Folgen für einen Fluß. Neu und vorbildlich war der noch halbherzige Schritt der Natur für den entstandenen Schaden einen Ausgleich geben zu wollen. Etwa 25 Jahre danach ist das Ausgleichsprinzip über die Gesetzgebung der EU auch deutsches Rechtsprinzip geworden.

Für die Wiesenvögel und Fauna wie Flora der lebendigen Gräben Eiderstedts wurde die Grundwasserabsenkung zum Teil des Dramas ihres Niedergangs.

 

Küstenschutz

Das Bett der Eider wurde schmaler und schneller, der Übergang von Salz- zu Süßwasser abrupter. Das zeigt sich in der Fauna der Eider und wirkte für das Bauwerk durch Auskolkungen teuer und deutlich unterschätzt. Zumindest im privaten Gespräch finden sich Küsten- und Naturschützer heute oft zusammen, daß ein breiterer Zulaß zum Meer beiden Interessen gut gewesen wäre. Aber weder waren die Naturschützer in den 70ern für eine fachlich sinnvolle Auseinandersetzung gerüstet, noch konnten nachdenkliche Wasserbauer solch teurere Lösung als den besseren Weg nachweisen.

Probleme gab es seewärts durch Strömungsverlagerungen zum Deich bei Vollerwiek, die durch Sandvorspülungen und Baggerarbeiten reduziert werden konnten. In keiner Richtung beweisbar ist die Diskussion, ob die vermehrten Überflutungen der Strände vor St. Peter Ording im Zusammenhang mit der Veränderung des Strömungsregime steht. Das sich dort etwas verändert, ist erst seit wenigen Jahren so offensichtlich, daß sich zumindest über den Anlaß der Diskussion Einigkeit finden läßt.

Trotz kritscher Töne: Die Sturmfluten blieben seither vor der Eider, es gab keine Überflutungen mehr im Stadtgebiet Tönning. Unfraglich fühlen sich die Menschen im Eiderland sicherer bei den hochlaufenden Sturmfluten.